Liebeserklärung an den Backpack

Auf meiner ersten großen Reise nach Australien habe ich meinen Backpack furchtbar falsch gepackt. Der obere Teil des Rucksacks war sehr viel schwerer als der untere, beim Aufsetzen bin ich fast vorn übergekippt und viel zu schwer war er mir auch. Im Bauchgurt sah ich gar keinen Vorteil und auch den vielen einzelnen Täschchen konnte ich nur wenig abgewinnen. "Und was ist überhaupt der Vorteil eines Rucksacks?" dachte ich noch. Mein Gepäck auf langen Wegen mit mir herumzutragen, wo Rollkoffer mir dieses Gewicht so komfortabel abnehmen könnten? Aber alle Australienreisenden hatten einen Rucksack und schließlich heißt die Art des Reisens ja auch Backpacking und nicht Trolleying.

Somit habe ich mir ohne große Beratung und Recherche den günstigsten Rucksack im Sportgeschäft gekauft und fühlte mich damit prompt offiziell als Backpacker. Ein merkwürdiges Gefühl war es schon noch, sich mit diesem riesigen Ding auf dem Rücken zu bewegen. Überall eckte ich an, durch Türen kam ich schwer durch, fiel mir etwas runter verzweifelte ich schnell, würde ich beim Versuch es aufzuheben wohl eher vorne überkippen. Bewegungsfreiheit musste ich erst noch erlernen. Als es ans Packen ging war dieses „riesige Ding“ jedoch plötzlich gar nicht mehr so groß. Wie sollte mein ganzes Gepäck nur in diese vielen winzigen Taschen? Im Koffer schien mir mehr Platz. Ich muss zugeben, dass mein Rucksack und ich nicht auf Anhieb Freunde waren.

Für einen Städtetrip nach London vor einiger Zeit entschied ich mich schweren Herzens zum ersten Mal mit Koffer zu reisen. Gelandet in London stampfte ich los: mit Handy und ausgedruckter Wegbeschreibung meines Hostels in einer Hand und dem Koffer mit gar nicht so kleinem Handgepäck besattelt in der anderen. Am Flughafen konnte ich den Koffer bequem rollen und kam mir zudem unheimlich elegant vor. Mit Koffer reisen In der Stadt gestaltete sich die Sache jedoch schwerer. Nach unzähligen Bordsteinkanten, engen Bürgersteigen und der Erkenntnis, dass es in London so gut wie keine Fahrstühle und nur wenige Rolltreppen an den U-Bahnstationen gibt, hasste ich die Reise mit dem Koffer. Mein Rücken tat vom vielen und schweren Koffertragen und der schiefen Haltung beim Koffer hinter mir her rollen weh. Außerdem musste ich ständig anhalten, um den Weg zu navigieren, hatte ich doch keine Hand frei. Im Hostel angekommen gab es im winzigen Mehrbettzimmer nicht einmal genügend Platz meinen Koffer komplett aufzufalten, um an den Inhalt zu gelangen. Ich vermisste meinen Rucksack nach nur 6 Stunden reisen.

Mittlerweile bin ich mit meinem Rucksack Packexperte und brauche nur etwa 5 Minuten zum Packen. Alles hat Dank der vielen kleineren Taschen seinen Platz, wie Schubladen in einem Schrank weiß ich, wo sich was befindet. Sind alle Taschen voll, weiß ich, dass ich alles habe. Einmal aufgesetzt kann ich sogar ziemlich genau einschätzen, wie viel Gewicht ich gepackt habe, meist sind es 13kg. Rückenschmerzen hat er mir auch mit mehr Gewicht nie verursacht. Wir sind ein eingespieltes Team.

Liebeserklärung an den Backpack

Inzwischen ist sein leuchtendes rot etwas verblasst und er ist von den vielen Reisen schmuddelig geworden. Zwei Reißverschlüsse sind ihm gerissen, die ich liebevoll habe reparieren lassen. Hier und da sieht er mitgenommen aus, aber das darf er nach 8 Jahren auf Reisen auch, ich möchte keinen Neuen. Allein unterwegs war er mir in vielen Situationen alles, was ich hatte, mein Anker, mein treuer Reisebegleiter. In einsamen Nächten an Flughäfen diente er schon oft als Kissenersatz, bei langen Wartezeiten auf Busbahnhöfen stand er geduldig neben mir und lies mich weniger allein fühlen. Ohne ihn wären viele Reisen nicht das geworden, was sie waren: einfach.

Er hat keinen Namen und es ist nur ein Rucksack, und doch hängt ein Stück Herz an ihm ♥

So packst du deinen Backpack:

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