Irland – Eine Radtour über die grüne Insel

Irland ist das Land der Kobolde, der grünen Hügel und wilden Klippen. Als Naturliebhaber kann man es mit dem Fahrrad erkunden. Ein Erfahrungsbericht des langsamen Reisens.

Als der Flieger auf der Landebahn des kleinen Flughafens in Kerry aufsetzt, unterdrücke ich einen Freudenschrei. Als ich anschließend den Bus Richtung Killarney nehme, wird es nicht besser. All dieses Grün! Es brennt fast in den Augen. Ich kämpfe mit den Freudentränen. Irland war mein lang gehegter Kindheitstraum. Ich hatte ihn fein säuberlich aufbewahrt wie eine Delikatesse, die ich erst zu einem besonderem Anlass hervorholen würde.

Nun war es soweit: Studienabschluss in der Tasche und vor mir die große Freiheit. Konnte es einen besseren Anlass geben, Irland endlich anzugehen, endlich zu probieren, zu schmecken, zu riechen und zu erfahren? Nein!

Irland – Eine Radtour. Und was für eine!

Ich wollte mich diesem Abenteuer also unbedingt auf langsame und genussvolle Weise hingeben, Irland langsam auf der Zunge zergehen lassen. Nicht nur im Bus vorbeirauschen oder einen Mietwagen nehmen und mich auf hektische Fotosafari begeben, auf der man jeden Tag möglichst viele Kilometer frisst, um anschließend zu sagen, „ich war in ganz Irland unterwegs“ (aber nirgendwo richtig da).

Nein, auf dieser Rucksackreise wollte ich das Land möglichst motorenfrei erkunden, größere Entfernungen zwar mit dem Bus zurückzulegen, nur um dann am Zielort wieder mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu starten. Dieses Konzept sollte erstaunlich gut klappen.

Gleich am ersten Tag leiht mir mein freundlicher Gastgeber, den ich vorab über Couchsurfing gefunden hatte, seinen Drahtesel. Ein grün-gelbes Gefährt mit Hupe – also ideal für eine lustige Radtour um die vielen Seen der Umgebung. Der Killarney Nationalpark erstreckt sich im Süden der Stadt Killarney und gilt als ein beliebtes Ausflugsziel in Irlands Westen.

Irland - Eine Radtour Killarney Nationalpark

Ich schnalle mir einen Proviantrucksack mit Kamera auf und stöpsele mir bedenkenlos irische Folkmusik in ein Ohr. Durch den Park führt ein Netz aus Fuß- und Radwegen und Radler haben keinen Autoverkehr zu fürchten. Zwischendurch besichtige ich Schlösser, da ist es praktisch, auch ein Schloss für das Fahrrad zu haben – eines zum anketten.

Wie im Rausch sause ich durch die sommerliche Landschaft und beschließe begeistert in Irland so viel Fahrrad wie möglich zu fahren. Außer Laufen gibt es keine Fortbewegungsmöglichkeit, die einen näher am Land dran sein lässt: Man riecht Irland, man fühlt seinen Sommerwind, die Salz- und Seetangluft, die vom Atlantik herüberweht, hört die Menschen englisch sprechen, grüßt sie, lässt sich grüßen.

Man nimmt die Umgebung genau im richtigen Tempo war, nicht so schnell wie mit dem Auto und nicht im Schneckentempo wie zu Fuß, gleichzeitig ist man sportlich auf Reisen und kann abends ordentlich und mit gutem Gewissen im Pub zuschlagen (Steak und Ale Pie, Irish Stew, Lamm und Guinness!).

Pubs in Irland

Damit wären wir bei meiner zweiten Lieblingsbeschäftigung in Irland: Die örtlichen Pubs besuchen! Jeder Ort, egal ob er nur aus vier Häusern besteht, hat mindestens ein, oft gleich mehrere hervorragende Pubs. Ganz bewusst hatte ich meine Erwartungen zuvor gezügelt. Sicher würde nicht in jedem Pub Folkmusik gespielt, nicht überall á la Riverdance getanzt und sicher erst recht nicht mitgeklatscht und auf der Bar getanzt?

Weit gefehlt, wie sich herausstellt. Auch da ich alleine reise, zieht es mich an jedem Abend, an jedem Ort in ein Pub, völlig ausgehungert und vor allem sozial ausgehungert, denn mit wem sonst als mit meinem Drahtesel sollte ich sprechen auf meinen einsamen Touren durch die grünen Weiten?

Ein Pub betreten hat dann etwas von Nach-Hause-Kommen oder zumindest von „bei-der-lieben-Tante-Ankommen“, in der guten Stube. Urig, holzvertäfelt, mit knarrenden Böden und einem knisternden Feuer im Kamin sind die Pubs die Wohnzimmer der Iren. Hier trifft man sich, hier wird der Tag besprochen, die Zukunft, von der Vergangenheit erzählt und gemeinsam musiziert. Wirklich in jedem Pub der rund zwanzig(?), die ich in diesen zwei Wochen besuche, wird musiziert!

Irland - Eine Radtour Irish Pub

Geige, Mandoline, keltische Flöte, Akkordeon und Rahmentrommel zaubern mir jedes Mal eine Gänsehaut während ich andächtig an meinem Guinness nippe. Je später die Stunde, desto ausgelassener: In nicht wenigen der vielen Pubs, die ich im Laufe der Reise besuche, verlagert sich der Tanz um die Tische irgendwann auf die Tische und die Bar.

Natürlich bleibt niemand alleine sitzen. Die Iren ziehen mich mit, packen mich am Arm und wirbeln mich herum. Eine Gruppe Krankenschwestern aus dem städtischen Krankenhaus in Galway will mir den irischen Nationaltanz beibringen. Wir haben die Schuhe ausgezogen und hüpfen eingehakt durch den Pub. Ich fühle mich wie ein neues Familienmitglied.

Irland - Eine Radtour Fahrrad Auch das hält fit. Viel tanzen, viele neue Freunde, viel radfahren, viel frische Seeluft. Die bekomme ich vor allem in der Gegend von The Burren an Irlands schroffer Westküste im County Clare. Wieder miete ich mir ein Fahrrad für etwa 10 Euro pro Tag, diesmal von meinem Hostel. Eine Karte der Umgebung gibt es gratis dazu. Der besorgte Besitzer des Rainbow Hostels in Doolin versichert mir, ein Auge darauf zu haben, ob ich am Abend auch wieder heil ankomme.

So herrlich beschützt, stürze ich mich in den kräftigen Seewind und trete in die Pedale, immer der Küstenstraße mit ihren zahlreichen Felsenstränden folgend. Anschließend biege ich ins Hinterland ab, kämpfe mich die grünen Hügel hinauf.

Von dort oben habe ich einen herrlichen Blick über Schafwiesen und das glitzernde Meer in der Ferne. Dies ist Bilderbuch-Irland. Die Sonne beginnt schon unterzugehen als ich schließlich wieder Doolins Häuser auftauchen sehe. Wieso heißt meine Herberge eigentlich Rainbow Hostel?

Als ich über dem Ort einen vollen breiten Regenbogen glänzen sehe, verstehe ich es. „Den haben wir hier jeden Abend wegen der sprühenden Gischt – oder wegen der Kobolde von Doolin, die am Ende des Bogens unten beim Strand ihr Gold verstecken. Die Version kann man sich aussuchen“, zwinkert mein Gastgeber mir zu als er das Fahrrad später in den Schuppen schiebt.

Ich weiß, welche Version ich mir aussuche. Irland ist nicht von dieser Welt. Es ist ein Himmel – vor allem für Radfahrer. Nach den zwei Wochen fliege ich schweren Herzens zurück und plane bereits, beim nächsten Mal Nordirland zu erfahren – mit dem Fahrrad. Ist doch klar!

Tipps: Fahrräder verleihen Hostels, Verleihstationen und Tourenanbieter. Mehr Informationen gibt’s bei der irischen Tourismusbehörde.

Für Sprachreisen bietet sich ein Abstecher nach Dublin an. Die Hauptstadt ist kosmopolitischer und hat weniger Gallisch-Sprecher unter sich.

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