Couchsurfing: Die Welt zu Gast im Wohnzimmer

-- Ein Erfahrungsbericht --

Für jeden, der darüber nachdenkt, sich im Couchsurfing zu versuchen soll dieser Beitrag eine Entscheidungshilfe bieten. Wie funktioniert’s? Was sind die Vorteile?

Halb sechs am Abend an einer verlassenen Landstraße irgendwo in Andalusien: Mein grüner Rucksack lehnt an einem Straßenschild und ich an der Leitplanke daneben. Den ganzen Tag hatte ich Sightseeing gemacht in der historischen Stadt Ronda, hatte mich dann vom Busfahrer hier außerhalb absetzen lassen und sollte nun von einem Fremden abgeholt werden und mit ihm nach Hause fahren, um bei ihm zu übernachten. Wenn er nicht auftaucht, dann würde ich improvisieren müssen, denn hier draußen sah ich nur Schafe, verlassene Hütten und Olivenhaine.

Was zunächst klingt wie der Alptraum vieler Eltern, ist inzwischen ein weltweit gängiges Konzept geworden: Couchsurfing. Man reist durch die Welt und kehrt in den Wohnzimmern von gastfreundlichen Einheimischen ein – für lau. Oder man bietet Reisenden selbst seine Wohnung als Bleibe an, holt sich die Welt ins Wohnzimmer und tauscht sich aus.

Couchsurfing: Die Welt zu Gast im Wohnzimmer

Auch mein heimisches Sofa hatte so schon die buntesten Gäste auf sich schlafen gehabt: Maurice, ein Holländer, der in Mosambik aufwuchs, Fran, eine junge Modedesignerin aus London und André aus einem Dorf in Südtirol, der einen nur noch seltenen romanischen Dialekt beherrscht.

Couchsurfing Die Welt zu Gast im Wohnzimmer - Guitar Wenn man sich Reisende in sein Wohnzimmer holt, dann holt man sich auch andere Kulturen, jede Menge Geschichten und teilweise richtig gute Köche und Musiker in sein Haus. Ruckzuck verwandelt sich die Stimmung in die eines Hostels: Man erzählt, isst zusammen und ehe man sich versieht, ist Mitternacht verstrichen. Augenränder und ein leichter Kater, das sind die gängigsten Risiken und Nebenwirkungen des Couchsurfings – wenn man ein paar Regeln beachtet.

Wie genau funktioniert Couchsurfing

Couchsurfing ist eine Reise-Community, also ein Netzwerk von Mitgliedern, in das jeder online beitreten kann. Jedes Mitglied erstellt ein ausführliches Profil, man kann sich vernetzen und Bewertungen abgeben und bekommen. Es ist ein bisschen wie eine Mischung aus Facebook und Tripadvisor.

Nicht nur Schlafplätze werden ausgetauscht sondern auch Reisetipps, Stadtführungen und Veranstaltungen werden von den Mitgliedern beigesteuert. In größeren Städten gibt es Couchsurfing-Stammtische, die das virtuelle Netzwerk ins echte Leben bringen.

Virtuell ist ohnehin nur die Plattform, auf der man im Menü unter verschiedenen Ländern und Städten wahlweise nach Couches, Tipps und Mitgliedern suchen kann. Auf der Plattform kann man nur Freundschaftseinladungen von denen annehmen, die man auch wirklich kennengelernt hat. Couchsurfing stellt dies mit einer Reihe von Fragen sicher. Daher sind Bewertungen und Freundschaften hier echt. Je mehr Freunde und Erfahrungen ein Mitglied hat, desto einfacher wird es für denjenigen sein, eine Bleibe oder Gäste zu finden.

Das Prinzip ist somit ein relativ sicheres. Relativ, denn natürlich gibt es ein gewisses Restrisiko. Um dieses gering zu halten, sollte man Profile, Bewertungen, Beschreibungen, Fotos und gegebenenfalls Verifizierungen vor Verabredungen immer genau prüfen und Freunde und Familie wissen lassen, wo man übernachtet oder wen man sich nach Hause einlädt. Viele Couchsurfer reisen auch zu zweit oder in der Gruppe.

Couchsurfing Die Welt zu Gast im Wohnzimmer - Musiker auf Strasse Wem das Nächtigen auf dem Sofa eines Fremden dennoch zu gewagt klingt, der kann sich erst einmal anders an die Community herantasten: Als Stadtführer für Reisende, als Sprachlehrer, kann sich mit Besuchern zum Kaffee treffen oder örtliche Couchsurfing-Veranstaltungen besuchen und so von den Erfahrungen anderer hören.

Auch Künstler, Musiker und Performer tummeln sich in der Community und suchen Freiwillige oder Partner für Projekte, Veranstaltungen oder zum gemeinsamen Jammen auf Reisen.

Die Vorteile des Couchsurfing sind klar: Reisen muss keine einsame Erfahrung sein, man gehört einer weltweiten Community an und hat überall (potenzielle) Freunde. Ganz nebenbei entdeckt man neue Lebensentwürfe, Kulturen, Sprachen, Gerichte und sogar Wohnarten – ich habe vom Couchsurfing in Bauwagen und Baumhäusern gehört! Der Beitritt in die Community ist kostenlos, sein Profil kann man verifizieren lassen.

Doch improvisieren?

Während ich also an der andalusischen Landstraße auf meinen (nicht-verifizierten) Gastgeber warte, schießt es mir schon durch den Kopf, dass dies die eine schlechte Erfahrung sein könnte. Oft schon hatte ich vom Couchsurfing Gebrauch gemacht, etwa in Kanada, in Irland und sogar im heimischen Deutschland. Es hat mich jedes Mal umgehauen wie herzlich und offen die Gastgeber überall waren.

Dann tauchte plötzlich ein alter Seat neben mir auf und drinnen saß ein junger Mann mit Pferdeschwanz und breitem Lachen. „Es tut mir leid. Der Wagen wollte nicht anspringen“, entschuldigte er sich und hievte meinen Rucksack in den Kofferraum. In seinem kleinen Haus an einem Wildbach gelegen, von Schafen und Olivenhainen umgeben, bot er mir dann sogar ein richtiges Gästezimmer an und machte uns anschließend Omelettes.

Es wurde ein geselliger Abend und ich entdeckte wieder einen neuen Lebensentwurf. Mike ist eigentlich Engländer. Er hat sich dieses kleine Zuhause in Andalusien selbst gebaut. „Ich mag die Ruhe hier. Und die Sonne“, lächelte er zufrieden. Dann holte er seine Gitarre heraus und spielte mich von nebenan leise in den Schlaf.

Couchsurfing – ja oder nein?

Couchsurfing Die Welt zu Gast im Wohnzimmer Für wen ist Couchsurfing?

  • Für aufgeschlossene weltoffene Menschen, egal welchen Alters oder welcher Herkunft, die bereit sind zur Community beizutragen und weltweit Freunde finden möchten.

Für wen ist Couchsurfing nicht geeignet?

  • Für jene, die nur schnell eine kostenlose Bleibe auf Reisen brauchen. Beim Couchsurfing ist man Gast – nicht Nutznießer.

Tipp: Natürlich ist Couchsurfing auch perfekt zum Sprachen lernen und üben. Viele Mitglieder sprechen bis zu fünf Sprachen (!!!), sind waschechte Globetrotter. Für alle, die ihre Kenntnisse vor Reisen aufpolieren möchten, hat Kaplan eine Reihe von Sprachkursangeboten.

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